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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Sport
playkilla Offline

Duff Beer Drinker



Beiträge: 472

14.04.2008 21:38
"Lasst den Fußball in Deutschland in Frieden" Antworten
In Antwort auf:
Im nächsten Monat findet im australischen Sydney der diesjährige FIFA-Kongress statt. In knapp zwei Monaten wird in Österreich und der Schweiz die EM-Endrunde angepfiffen. Und im Herbst werden in China die Olympischen Spiele veranstaltet, wobei auch die besten Frauenteams mit Weltmeister Deutschland an der Spitze am Start sein werden.

Grund genug also, um den FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter zu aktuellen sportlichen und sportpolitischen Fragen um Antworten zu bitten, aber auch seine Meinung zu hören über den Stand der Vorbereitungen für die WM 2010 in Südafrika, über das Verhältnis zwischen FIFA und DFB – und zu den Ermittlungen des Bundeskartellamts im deutschen Fußball.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien nimmt der Chef des Fußball-Weltverbandes deutlich Stellung zu den Führungspersönlichkeiten des DFB, dem er unmissverständlich Schützenhilfe gibt in der Auseinandersetzung mit dem Kartellamt. Außerdem kündigt der Schweizer an, wann die "6+5-Regel" in der Bundesliga Wirklichkeit wird, fordert die Politik zur Achtung und Anerkennung der Werte des Fußballs auf, den er gleichzeitig aber auch mahnt, seine eigene Verantwortung wahrzunehmen.

Frage: In Kürze beginnt in Österreich und der Schweiz die EM-Endrunde. Mit Sepp Blatter in der Rolle eines unbeschwerten Fußballfans – oder sehen Sie sich dabei auch als FIFA-Präsident gefordert?

Joseph S. Blatter: Dieses Turnier werde ich wirklich als ein unbefangener Fußballfan erleben. Ich habe mir fest vorgenommen, mir in jedem der acht Stadien mindestens ein Spiel anzusehen. Natürlich ist dies aber auch verbunden mit dem Interesse des FIFA-Präsidenten an der Organisation einer EURO.

Frage: Unbeschwert und unbefangen werden Sie also auch bei den Spielen der Schweizer Nationalmannschaft sein?

Blatter: Bei den Partien der Nationalmannschaft meines Heimatlandes, zum Beispiel gleich beim Eröffnungsspiel gegen Tschechien am 7. Juni in Basel, werde ich sicherlich das Schweizer Kreuz auf meiner Brust etwas spüren, auch wenn ich es nicht trage. Es wäre nicht normal, wenn ich völlig desinteressiert dabei sitzen würde. Doch eine gewisse Neutralität muss der FIFA-Präsident wahren.

Frage: Wie euphorisch wird die EM-Begeisterung in Ihrem Heimatland sein?

Blatter: Die Schweizer kommen immer etwas später in Fahrt. Dann aber richtig! Es wird eine sehr gute Stimmung herrschen, zumal die Schweizer Fußballfans die Chance haben, schon in der Vorrunde großartige Spiele zu sehen. Nicht nur in der Gruppe ihrer Mannschaft, sondern auch in der ungemein starken Gruppe mit Italien, Frankreich, den Niederlanden und Rumänien, die zunächst alle in Schweizer Stadien spielen werden.

Frage: Verstimmt es Sie, wenn das Niveau der EM von manchen Experten als Weltmeisterschaft ohne Brasilien und Argentinien, dafür aber mit viel dichterer Qualität und größerer Ausgeglichenheit bezeichnet wird?

Blatter: Damit beweisen solche Leute, dass sie den internationalen Fußball nicht kennen. Wer so etwas sagt, der macht es sich viel zu einfach und hat eine europäische Brille auf.

Frage: Wie beurteilen Sie das aktuelle Verhältnis zwischen FIFA und DFB, nachdem es in den beiden vergangenen Jahren an der DFB-Spitze mit der Wahl Dr. Theo Zwanzigers zum alleinigen Präsidenten oder der Berufung von Wolfgang Niersbach zum neuen Generalsekretär zu einigen personellen Änderungen gekommen ist?

Blatter: Momentan ist alles wunderbar. Die paar Differenzen und Missverständnisse, die es mal gab, sind beigelegt und ausgeräumt. Ich kann dem DFB unter der Leitung von Dr. Theo Zwanziger nur gratulieren, wie die Probleme angepackt werden. Ich habe zudem erfreut festgestellt, dass Zwanziger – analog zum FIFA-Präsidenten – ein Gegner der Technologie auf dem Spielfeld ist. Was mich außerordentlich freut, ist die Tatsache, dass der DFB jetzt das millionste Mitglied im Frauenfußball registriert hat. Registriert, wohl gemerkt. Das heißt, dass mindestens zwei Millionen Mädchen und Frauen Fußball spielen, wenn eine Million registriert sind. Das ist großartig. Mit dem neuen Generalsekretär Wolfgang Niersbach gibt es beste und freundliche Kontakte. Horst R. Schmidt, der neue DFB-Schatzmeister, ist mit seiner großen Hilfe bei der Organisation der WM 2010 nach wie vor in die FIFA eingebunden. Und dann ist ja noch Franz Beckenbauer als eines der markantesten Mitglieder im FIFA-Exekutivkomitee vertreten.

Frage: Der im März 2007 dort sein Amt antrat. Welches Zwischenzeugnis stellt der Chef dem "Neuen" aus?

Blatter: Ein sehr gescheiter Mensch. Gar nicht so der nonchalante und lässige Showman, als den mancher ihn sieht. Er bringt immer vollen Einsatz und zeigt großes Interesse an seinen Aufgaben. Er ist der Vorsitzende der Fußballkommission und hat diesen Auftrag sehr engagiert und konzentriert angepackt. Was er bisher im Exekutivkomitee geleistet hat, da kann ich nur sagen: Chapeau, Franz Beckenbauer!

Frage: Wie schätzen Sie die generelle Rolle des DFB derzeit im Weltfußball ein?

Blatter: Er ist, da sage ich nichts Neues, einer der bestorganisierten Verbände. Gut geführt und, das gehört dazu, gut kontrolliert. Er ist ein mächtiger Verband. Wenn alle Verbände so gut organisiert wären wie der Deutsche Fußball-Bund, hätten wir in unserer Administration fast keine Probleme.

Frage: Nach der EURO sind die Olympischen Spiele in Peking das zweite Großereignis in diesem Jahr. Beim Frauen-Turnier treten die qualifizierten Teams mit den besten Spielerinnen des jeweiligen Landes an. Wird es hierzu in absehbarer Zeit auch bei den Männern kommen, wie es sich IOC-Präsident Jacques Rogge, analog zum Basketballturnier mit den weltbesten Profis, so sehr wünscht?

Blatter: Da der Frauenfußball in der Öffentlichkeit noch lange nicht den Stellenwert erhalten hat wie der Männerfußball, ist das Olympia-Turnier für die besten Fußballerinnen eine große Chance, sich auf internationalem Parkett darzustellen. Bei den Männern geht es in erster Linie um den internationalen Kalender. Da spielen die Olympischen Spiele eine eigene Rolle, in die die besten Fußballprofis schon aus Termingründen nicht eingebunden werden können. Im übrigen bin ich der Meinung, dass Olympische Spiele eine Veranstaltung für die Jugend sind. Wenn der Fußball dort seine besten Spieler bis 23 Jahre hinschickt, haben wir dort eine gute Qualität. Die Tendenz in der FIFA ist eher, dass man sogar von der U 23 weggeht und nur noch Juniorenteams an den Olympischen Spielen teilnehmen lässt.
FIFA-Präsident Joseph Blatter


Frage: Zu einem von etlichen Seiten geforderten Olympia-Boykott wird es wohl nicht kommen. Welche Position hat die FIFA angesichts der schweren Auseinandersetzungen in der Tibet-Frage?

Blatter: Es ist nicht Aufgabe eine FIFA-Präsidenten, diese Auseinandersetzungen und andere politische Vorkommnisse zu kommentieren. Eines ist aber sicher: Ein Boykott hat noch nie jemandem etwas gebracht. Insbesondere nicht den Athleten, die nicht antreten durften. Wenn man dem chinesischen Volk helfen will, wenn man helfen müsste, dann sollten die Athleten dort starten. Und der Fußball wird dort einen großartigen Beitrag leisten, denn wir spielen in der Vorrunde nicht in Peking, sondern weit außerhalb. Dort bringen wir den olympischen Geist, die olympischen Ideale hin. Das ist gut für das Land und für seine Menschen.

Frage: Kommen wir zur größten Veranstaltung des Fußballs, der Weltmeisterschaft. Wo steht Südafrika mit den WM-Vorbereitungen zwei Jahre vor Turnierbeginn – und welche Thematik bereitet Ihnen im Moment die größten Sorgen?

Blatter: Die größte Sorge bereitet der FIFA im Moment die Energieversorgung. Der Strom. Wenn es im 21. Jahrhundert nicht möglich ist, die nötige Energie zur Verfügung zu stellen, dann stimmt auch hier etwas nicht. Was dagegen jetzt gut läuft, ist der Stadienbau. Wir hatten Gelegenheit, hier in Zürich mit den südafrikanischen Gewerkschaftsvertretern zusammen mit deren Schweizer Kollegen zu sprechen. Das waren Gespräche, die uns wirklich weiter brachten. Die Gewerkschafter erklärten mir ihre Probleme. Ich sagte ihnen dann, wie es wohl aussehen würde mit Arbeitsplätzen, wenn in Südafrika keine Fußball-WM stattfinden würde. Da war das Eis gebrochen und die Atmosphäre sehr locker und entspannt, und sie versicherten mir, das jetzt alle für Südafrika arbeiten würden.

Frage: Wie sieht es mit der Sicherheitsproblematik aus?

Blatter: Wenn man weiß, dass die Sicherheit ein Problem ist, dann kann man die notwendigen Maßnahmen treffen. Daher könnte zu der Nachhaltigkeit der WM 2010 gehören, dass Südafrika ein sicheres Land geworden sein wird – dank der WM.

Frage: Wird die WM 2018 wieder nach Europa zurückkehren oder nach dem Rotationssystem in Bereich Nordamerika/Karibik/Mittelamerika stattfinden?

Blatter: Wir haben das Rotationsprinzip etwas modifiziert, indem wir festgelegt haben, dass die beiden Konföderationen, in denen die beiden vergangenen WM-Endrunden organisiert wurden, sich nicht bewerben können. Für 2018 betrifft dies also Südamerika und Afrika. Europa möchte, das zeichnet sich klar ab, die WM 2018 zurück haben. Es gibt hier viele Kandidaten. Das ist nicht nur England. Das ist auch Russland, und das sind die Niederlande zusammen mit Belgien. Oder Spanien eventuell zusammen mit Portugal. Dazu aber möchten sich auch Mexiko, die USA, China, Australien und Katar bewerben. Es wird ein schönes Rennen geben.

Frage: Beim FIFA-Kongress nächsten Monat in Sydney steht unter anderem die auch vom DFB befürwortete "6+5-Regel" auf der Agenda. Wann wird Ihrer Einschätzung nach zum Beispiel in der Bundesliga jede Mannschaft mit sechs für das einheimische Nationalteam spielberechtigten Spielern ihre Punktspiele beginnen?

Blatter: Wir müssen diese "6+5-Regel" beim Kongress in Sydney nicht nur als System diskutieren und verabschieden, sondern auch einen Zeitplan festlegen, ab wann wir sie einsetzen. Im Moment gibt es noch Opposition von der Europäischen Kommission in Brüssel, weil diese Regel angeblich gegen die Freizügigkeit der Arbeitsplatzwahl verstoße. Wir wollen keinen Streit mit einer politischen Organisation anfangen. Doch es gibt keine Regel, die sagt, dass man elf Ausländer in einer Mannschaft haben muss. Es gibt viele Politiker in Europa, mit denen wir gesprochen haben, die befürworten den Wert und Sinn der "6+5-Regel".

Frage: Wann also wird sie Realität?

Blatter: Zunächst einmal einen Dank an die Unterstützung in dieser Sache vom Deutschen Fußball-Bund, an Dr. Zwanziger und an Franz Beckenbauer, die ganz klar an unserer Seite stehen. Die Umsetzung würde mit Rücksicht auf laufende Verträge so aussehen, dass wir für die Saison 2009/2010 zunächst mit vier einheimischen Spielern beginnen, dann mit fünf und schließlich mit sechs, so dass bis zur WM 2014 das System funktioniert. Es ist nicht moralisch und auch keine Balance mehr drin im Wettbewerb, wenn die Großklubs 25 Topspieler kaufen, den anderen wegnehmen und dann horten, weil nur elf spielen können.

Frage: Im deutschen Fußball gibt es einen anderen aktuellen Aufreger, die Ermittlungen des Bundeskartellamtes gegen den DFB und die DFL. Was sagen Sie dazu?

Blatter: Für uns ist der Fußball in Deutschland eine Einheit. Der Deutsche Fußball-Bund ist Mitglied der FIFA und der UEFA. Und der Ligaverband ist im DFB integriert. Also ist das juristisch eine Person. Die können doch gar nicht miteinander in Konkurrenz treten. Da wird unverständlicherweise etwas losgetreten, das die Basis unseres Sports erschüttern könnte. Gerade in Deutschland mit bald sieben Millionen im DFB registrierten Mitgliedern. Mit Blick auf ihre Familien kann man diese Zahl mit vier multiplizieren, dann hat man mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung, die direkt oder indirekt am Fußball beteiligt ist. Und zwar nicht nur als Element der Wirtschaft, sondern auch als Bestandteil der Erziehung und der Kultur. Der Fußball hat in Deutschland eine große soziale Bedeutung und eine politische Dimension erhalten. Lasst also den Fußball in Frieden und lasst ihn in Deutschland so organisiert, wie er ist. Etwas Positiveres als den Fußball in Deutschland kann man als Beispiel kaum haben.

Frage: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Aussage von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, wonach man auch unter den Bedingungen des europäischen Binnenmarktes nicht alle Lebensbereiche, speziell dabei den Sport und den Fußball, nach den Gesetzen von Markt und Wettbewerb reglementieren sollte?

Blatter: Da bin ich mit ihm 100-prozentig einig. Wie auch beim Problem der "6+5-Regel", das ich mit ihm ebenfalls schon angesprochen hatte. In Brüssel meinen sie, der Fußball sei nur ein Wirtschaftsbetrieb. Doch der Fußball, der Sport ist viel mehr, das Sozialkulturelle hat weitaus größere Bedeutung. Das sollte man berücksichtigen, anerkennen und achten. Doch auch der Fußball, das sage ich ganz deutlich, muss seine eigene Verantwortung wahrnehmen. Wir können gegen gewisse Auswüchse in unserem Sport nur ankämpfen, wenn wir alle uns darin einig sind, dass Fußball etwas Besseres ist als nur ein Geschäft.

Frage: Nach so viel Problematik zum Schluss an den Fußballfachmann Sepp Blatter die einfachste Frage: Wer wird Europameister 2008?

Blatter: Ich weiß, dass man jetzt sagen wird, da hätte ihm ruhig etwas Gescheiteres einfallen können, doch als FIFA-Präsident muss ich eine diplomatische Antwort gegen. Sie lautet: Der Sieger des Finales.

Am kommenden Wochenende gibt Sepp Blatter im zweiten Teil des Interviews Antworten auf Fragen zur FIFA Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland.


Quelle: http://www.DFB.de

Schreib mal was in mein Gästebuch
Wer Rechtschreibfehler findet darf sie behalten

tigger 1 Offline

Frechdachs



Beiträge: 2.384

15.04.2008 20:05
#2 RE: "Lasst den Fußball in Deutschland in Frieden" Antworten

Leider spielt bei solchen Großereignissen die Politik eine ganz große Rolle.Meiner Meinung nach viel zu groß.Schade.

Ich bin nicht perfekt,aber immer gut drauf.

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